Fotos: Felix Grünschloss
"Intensive Darstellungskunst
Dilara Bastar brilliert in der Mono-Oper „La voix humaine“ am Staatstheater
Im Mittelpunkt eines hochinteressanten und trotz der Fußball-EM erfreulich gut besuchten Musiktheaterabends im Kleinen Haus des Badischen Staatstheaters stand Francis Poulencs Mono-Oper „La voix humaine – Die menschliche Stimme“ nach einem Text von Jean Cocteau. Das Werk gehört zu den große Klassikern der Moderne und verlangt nicht nur eine exzellente Gesangstechnik, sondern auch eine schmerzend intensive Darstellungskunst. Die „lyrische Tragödie“ wurde 1959 uraufgeführt und zeigt eine psychisch labile Frau, die ein letztes, häufig unterbrochenes, Telefongespräch mit ihrem Geliebten führt und am Ende den Freitod wählt. Die dabei zu bewältigende emotionale Achterbahnfahrt stellt für jede Sängerin eine extreme Herausforderung dar.
Dilara Ba?tar ging schauspielerisch völlig in ihrer Rolle auf und verausgabte sich auch gesanglich total. Die Sopranhöhen bereiteten ihr keinerlei Mühe und immer blieb die Balance zwischen sauberem Gesang und purer Emotion gewahrt. Steven Moore war ihr dabei ein kongenialer Klavierpartner, der viel zur atmosphärischen Dichte des Abends beitrug. Dem Werk vorangestellt war ein Liederzyklus von Charles Martin Loeffler, einem deutsch-französischen, dem Impressionismus nahestehenden Komponisten, der in „4 Poèmes für Gesang, Viola und Klavier, op. 5“ Texte von Baudelaire und Verlaine vertonte. Diese bebilderte Christine Hübner, die den Abend weitgehend überzeugend in Szene setzte, mit einer vierstufigen Vorgeschichte des Dramas: Kennenlernen, Liebe, Leidenschaft und Trennung. Zusammen mit dem Tänzer Christopher Basile als „Er“ überzeugte schon hier Dilara Ba?tar als „Sie“ nicht nur mit untadeligem Gesang, sondern auch durch einen intensiv gestalteten Charakter. Dass die Texte nicht immer mit den gespielten Szenen korrespondierten nahm man in diesem Fall gerne hin.
Mit seiner schlichten, aber überzeugenden Ausstattung (drei Bistrotische, eine Bank, ein Podest, sowie ein Prospekt mit einem atmosphärischen Blicke über die Dächer von Paris) schuf Manuel Kolip sofort die passende Stimmung, die sich im zweiten Teil mit dem öffentlichen Fernsprecher und der nackten Rückwand des Prospekts in hoffnungslose Düsternis wandelte.
Dass man Dilara Bastars grandiose Tour de Force nur einmal sehen konnte, ist wohl der größte und einzige Kritikpunkt eines mitreißenden Abends."
Manfred Kraft, Badische Neueste Nachrichten, 24.06.2016